Da haben Quentin Tarantino und Robert Rodriguez wieder was losgetreten. Mit ihrem Double Feature Death Proof und Planet Terror reanimierten die beiden Kultregisseure den schmuddeligen Charme des Grindhouse-Kinos. Filme, die meist in Bahnhofkinos liefen, in denen die Sitze fleckig und die Projektoren rostig waren. Diese Zelluloid-Werke waren keine große Kunst, sondern unterhaltsamer Trash für große Jungs, die es lieber grotesk statt oscarverdächtig mochten.
Flimmernde Bildschirme mit Grisseloptik und absichtlicher Dilettantismus sind seitdem auch in Videospielen salonfähig. Vorreiter war hier House of the Dead Overkill für die Wii, das seine grafischen und narrativen Versäumnisse gekonnt mit einer dicken Schicht Grindhouse-Flair verdeckte und sich ungeniert am üppigen Fundus der Horror- und B-Movie-Klischees bediente. Der Lightgun-Shooter stellte sogar einen Rekord für die meisten Schimpfwörter in einem Videospiel auf. Fuck, yeah! WET von Artificial Mind & Movement schlägt nun in die selbe Kerbe. Spot an für Rubi Malone.
Rubi ist genau die Frau, die man gerne mit sich nach Hause nehmen würde, dabei aber befürchten muss, dass man es nicht überleben wird. Die „Problemlöserin“ hat rabenschwarzes Haar, einen mit Tätowierungen übersäten Traumkörper und einen Hang zu Schwertern und Schusswaffen. Im Original wie sie von Eliza „Faith“ Dushku vertont. Kurzum: Rubi ist genau die richtige Protagonistin für ein trashiges Actionfest, dessen Käuferschicht zu 95% aus Männern bestehen wird. Für den richtigen Preis nimmt die Killerin jeden Auftrag an und feuert dabei nicht nur aus der Hüfte, sondern auch mit ihrem losen Mundwerk. Ihr merkt vielleicht: Ich versuche mich hier um eine Beschreibung der Story zu drücken. Das liegt aber weniger an meiner Einfallslosigkeit, als vielmehr am Umstand, dass es so etwas wie eine Story in WET zwar gibt, diese aber ihren Reiz in erster Linie aus ihren überzeichneten Charakteren bezieht. Welchen Schauplatz ihr warum aufsucht, ist im Grunde aber auch egal. Schießt einfach auf alles, das entfernt nach bösem Bube aussieht und ihr liegt definitiv richtig.
Ihr könnt euch WET wie eine Mischung aus Max Payne und Total Overdrive, einem 3rd-Person-Shooter der mittlerweile aufgelösten Deadline Games, vorstellen. Das Spiel kommt komplett ohne eine schon fast obligatorische Cover-Mechanik aus. Verstecken und warten, bis die Widersacher zum Mittagessen gerufen werden, fällt bei Rubis Randale also flach. Offensive und ein belastbarer Ballerfinger sind Trumpf.
Doch mit gewöhnlichem Kugelhagel kommt Rubi nicht weit. Die Feinde sind zäh, flink und erscheinen fast immer im Rudel. Zum Glück hat die agile Söldnerin Zeit und Umgebung auf ihrer Seite. Bei besonderen Aktionen, wie dem Feuern aus dem Sprung, schaltet das Spiel in Zeitlupe und lässt euch die Gegner komfortabel auf Korn nehmen. Rubi hechtet und rutscht agil durch die Level und kann verschiedene Aktionen miteinander verknüpfen. So segelt sie zB zunächst durch die Luft, um direkt nach Bodenkontakt auf den Knien weiterzurutschen und dabei unablässig aus allen Rohren Kugeln zu verteilen. Die stilvollen „Bullet Time“-Aktionen sehen nicht nur gut aus, sondern sind auch effektiver als herkömmliches Geballer. Im Gegensatz zu Remedys Noir-Cop muss Rubi nicht einmal mit ihren Zeitlupen-Aktionen haushalten. Die SloMo lässt sich jederzeit und sooft ihr wollt aktivieren. Im Nahkampf greift die Heldin lieber auf ihr Katana zurück, mit dem sich Schurken ratzfatz in handliche Einzelteile zerlegen lassen. Auf derart explizite Gewaltdarstellung verzichtet WET allerdings.
Viele Shoot-Outs finden in speziellen Arenen statt, in denen ihr erst fortfahren könnt, nachdem alle Spawnpunkte, aus denen ständig Gegnernachschub strömt, versiegelt wurden. Gerade hier lohnt sich die Verkettung von verschiedenen Kunststücken zu längeren Kombos, denn dann sahnt Rubi etliche Stilpunkte ab, die sie anschließend im Upgrade-Shop investieren kann. Neben einer größeren Lebensleiste lassen sich hier auch neue Manöver freischalten, die es der destruktiven Dame erlauben, auch an einem Mast hängend zu schießen, oder sich von Wänden und Widersachern abzustoßen. Mit effektiven Kampfhandlungen erlangt man somit weitere Optionen für noch spektakulärere Over-the-Top-Action. Hin und wieder verfällt Rubi in einen regelrechten Blutrausch – im Spiel Rage-Modus genannt – in dem das Geschehen durch einen speziellen Rot-Filter abstrahiert wird und Feinde nur noch schemenhaft zu erkennen sind. Rubis Aktionen sind nun noch wilder. Außerdem siehts cool aus.
Rubi ist zwar ein heißer Feger und könnte problemlos einem Tarantino- oder Rodriguez-Streifen entsprungen sein (auch wenn sie keine Maschinengewehr-Protese besitzt), ihr Spiel leidet jedoch an unübersehbaren Defiziten, die denn Spaß trüben. Der Grindhouse-Look wird zwar gut gepflegt und mit Werbeunterbrechungen im Autokino-Stil aufgelockert, ein wenig hübscher hätte WET aber trotzdem ausfallen dürfen. Weder Texturqualität, noch die immer ein Tick zu dunkle Umgebungsgrafik (wodurch auch die Orientierung manchmal schwer fällt), sind auf zeitgemäßem Niveau. Es ist zwar ein etwas unfairer Vergleich, aber da ich kurz zuvor Uncharted 2 gespielt habe, kam mir WET stellenweise wie ein Ausflug in eine frühere Konsolengeneration vor. Das betrifft auch Dinge wie Steuerung und Inszenierung.
Rubi reagiert oft zickig auf Pad-Kommandos. Dass man mehrere Aktionen kombinieren kann, ist gut und schön, oft scheitert die Ausführung aber daran, dass sich Mrs. Malone weigert, einen Wallrun auszuführen oder an Gegenständen hängen bleibt. Auch die Kamera nervt mit latenter Unübersichtlichkeit und verwirrenden Perspektiv-Wechseln (vor allem bei Klettereinlagen). Die Steuerung fühlt sich einfach nicht so flüssig an, wie es bei einem Spiel dieser Art vonnöten gewesen wäre. Auch Abwechslung vermisst man auf Dauer. Um noch einen Vergleich zu Naughty Dogs aktueller PS3-Perle zu ziehen: Während Uncharted 2 ein wahres 5-Sterne-Menü auftischt, bei dem es an allen Ecken schmatzt und schlürft, schleicht sich WET nachts an den Kühlschrank und vertilgt die Reste vom Vortag. Alles wirkt ein Spur zu altbacken, um den verwöhnten Spieler noch in einen Adrenalin-Rausch zu versetzen.
Für gute Stimmung sorgt aber der hervorragende Soundtrack aus eher unbekannten Rocksongs und Akustik-Nummern, die erstklassig zur Grindhouse-Thematik passen und das Kugelballet gekonnt untermalen. Für die gute Vertonung sorgen neben Eliza Dushku zudem namhafte Sprecher wie Malcolm McDowell und Alan Cummings.
Style over substance – für genau solche Spiele wie WET wurde dieser Spruch erfunden. Rubis Blutrausch bietet zwar lässige Action mit einer verrenkungsfreudigen Heldin, fordert aber wenig (außer einem strapazierfähigen Zeigefinger) und bietet nicht genug. Ein wenig mehr Abwechslung, eine etwas hübschere Grafik und liebevolleres Leveldesign – und WET hätte das Zeug zum Genre-Hit haben können. So wird es in erster Linie aufgrund seines schwungvollen Soundtracks und dem gelungenen Grindhouse-Vibe in Erinnerung bleiben. Zum Ausleihen und Durchspielen ist WET gut genug, aber an sich kann man auch Max Payne noch einmal rauskramen und sich zwischendurch Planet Terror reinziehen. Rose McGowan ist ja auch nicht gerade unscharf.
Dieser Artikel erschien auch bei Consolegamers.de